Lepo Sumera

*  8. Mai 1950

†  2. Juni 2000

von Merike Vaitmaa

Essay

Die Mehrzahl seiner frühen Werke hat Sumera verworfen, doch hält er die Ostinato-Variationen für Klavier (1967) noch heute für gültig, obwohl sie vom Einfluß der frühen Klaviermusik von Arvo Pärt nicht völlig frei seien. Der damals 17jährige Komponist, der die Dodekaphonie nur dem Namen nach kannte und noch keine Unterweisung im Kontrapunkt erhalten hatte, versuchte hier erstmals eine zwölftönige und polyphone Schreibweise. Auf Empfehlung seines Lehrers Veljo Tormis las er anschließend Křeneks „Zwölfton-Kontrapunkt-Studien“ und komponierte in einer strengeren Zwölftontechnik einige Stücke. Diese legte er später als bloße Schulübungen beiseite, verwendete aber musikalisches Material daraus für neue Werke.

In den 70er-Jahren bediente er sich – überwiegend thematisch – einer freien Zwölftontechnik, verfolgte andererseits dabei jedoch einen polystilistischen Ansatz; das Werkganze ist nach dramaturgischen Aspekten geordnet. In dem Orchesterstück In memoriam (1972) sind die Sphären des Dramatischen und des Lyrischen als atonal bzw. tonal einander offen kontrastierend gegenübergestellt: Z.B. folgt auf die Kulmination eines dramatischen dodekaphonen Allegro und einer Generalpause unerwartet in den Flöten, der Harfe und dem Klavier ein die Wiener Klassik stilisierendes D-Dur-Thema, das – polyrhythmisch verfremdet und fragmentarisiert – „träumerisch“-fern wirkt. Demgegenüber sind die Beziehungen in Fughetta ...